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Chronik Teil III

Schützenbruderschaft St. Antonius Waldhausen 1870 e.V.

So feiert man heute in Waldhausen das Schützenfest!
Der Auftakt zum Schützenfest vollzieht sich für den Außenstehenden fast unbemerkt. Der geschäftsführende Vorstand der Bruderschaft inspiziert den hölzernen Vogel einige Wochen vor dem Fest. Das Schießen auf den Aar ist eine Jahrhunderte alte Schützentradition, die im Verlauf der Geschichte nichts an ihrer Wichtigkeit eingebüßt hat. Der amtierende Schützenkönig hat den Bau des Vogels bei einem Schreiner seiner Wahl in Auftrag zu geben und natürlich auch die Kosten dafür zu übernehmen. Bevor der Vogel seine endgültige Form, seine Insignien Krone, Zepter, Reichsapfel und seinen farblichen Schmuck erhält, wird die hölzerne Konstruktion überprüft. In der Vergangenheit mußte der Vorstand mehrfach die Erfahrung machen, daß der Vogel am Montagmorgen trotz fleißigen Schießens nicht fallen wollte. Die Stange mußte herabgelassen und der Vogel „gelockert“ werden. Durch die überprüfung beim Schreiner will der Vorstand sicherstellen, daß sich der Vogel mit der erlaubten Schrotladung (2,5 mm Bleischrot) auch abschießen läst.

Nach der endgültigen Fertigstellung des Vogels trifft man sich im Hause des Königs zum Vogelkrönen. Der Hofstaat schmückt zusammen mit einigen Mitgliedern des Bruderschaftsvorstandes den Vogel. Das Königspaar hat vorher in der Nachbarschaft und bei Bekannten ausgeblasene Eier gesammelt und bemalt. Wichtigste Handlung beim Vogelkrönen ist das Aufziehen der Eier auf eine Schnur. Die Eierkette wird anschließend kunstvoll am Vogel befestigt. Das Königspaar bewirtet seine Gäste nach getaner Arbeit in angemessener Weise.

8 Tage vor dem Schützenfest muß die Vogelstange, die das Jahr über in der Schützenhalle gelagert wird, aufgestellt werden. Seit vielen Jahren übernehmen diese Aufgabe die Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr Waldhausen. König und Vorstand setzen einen Birkenbusch auf die Stangenspitze. Ein kleiner Umtrunk beendet dieses Ritual. Von jetzt an ist auch äußerlich ein Zeichen gesetzt: Waldhausen rüstet zum Schützenfest. Am Schützenfestsamstag holt der Vorstand Birkengrün. Bereits um 10.00 Uhr fährt man mit Schlepper und Wagen in den Sichtigvorer Wald, um Birken zu schlagen. Auf der Rückfahrt geht es zuerst zum Haus des Königs, hier wird der Hauseingang mit Birkengrün geschmückt, die Fahrt geht weiter, auch die Häuser des Jubelkönigs und des Oberst warten auf ihren Schmuck. Den Schlußpunkt der Rundreise bildet die Schützenhalle, auch hier wird mit Birkengrün geschmückt.

Der Musikverein Sichtigvor wird vom Adjutanten im Namen der Bruderschaft am Nachmittag um 16.00 Uhr traditionell am Haus Weiken in Taubeneiche begrüßt. Die Musiker bringen dem König, dem Jubelkönig und dem Oberst ein Ständchen. Überall ist man willkommener Gast, und der jeweilige Hausherr läßt sich eine großzügige Bewirtung nicht nehmen. Abschließend spielt die Musik am Dorfmittelpunkt zu einem Ständchen für alle Bewohner auf. Der Musikverein Sichtigvor setzt damit die Tradition des „Trommelmanns“ fort, der bis vor einem viertel Jahrhundert am Samstagnachmittag durch die Dorfstraßen zog und das Schützenfest „eintrommelte“.

Mit dem Gottesdienst am Samstagabend wird dann das Schützenfest offiziell eröffnet. Die Schützen erscheinen dazu mit ihrer Schützenmütze, die Mitglieder des Vorstandes in ihren Uniformen. Am Revers tragen die Schützen das Jahresfähnchen, der Beleg für den bezahlten Beitrag. Es gilt nach wie vor als ein ungeschriebenes Gesetz, daß nur der Schütze die Schützenmütze tragen darf, der auch seinen Beitrag bezahlt hat. Die Schützen wirken bei der Gestaltung des Gottesdienstes als Lektoren und Meßdiener mit. Der Musikverein Sichtigvor begleitet mit seinen Instrumenten die Meßgesänge. Am Schluß des Gottesdienstes legen die Schützen einen Kranz am Ehrenmal für die Kriegsopfer in der Kirche nieder. Der Oberst, der Ortsvorsteher oder der Präses erinnern in einer kurzen Ansprache an das durch die Kriege verursachte Leid und an den Tod vieler junger Menschen zur immer wiederkehrenden Mahnung an die Lebenden.

Nach dem Schützengottesdienst am Samstagabend geht’s zum Vogelaufsetzen. Unter den Klängen des Tambourkorps Mülheim und der Blasmusik Sichtigvor marschieren die Schützen zur Vogelstange am Ortsausgang. Der mit Eierketten geschmückte Vogel wird von einem Jugendlichen getragen. Die beiden Bruderschaftsfahnen werden im Zug mit geführt. Unter den Klängen der Musikkapelle wird der Vogel mit der Stange in schwindelnde Höhen gehoben. Dort bleibt er bis zum Montagmorgen, wenn ihm mit dem Vogelschießen der Garaus gemacht wird. Vor einigen Jahren noch war das nicht möglich. Nachts machten sich auf Unsinn trachtende Burschen an der Vogelstange zu schaffen, um den Vogel zu zerstören. Gott sei Dank geht heute alles etwas friedlicher zu, und der Vogel hoch oben auf der Stange kann sich eigentlich bis zum Vogelschießen recht sicher fühlen.

Nach kurzem Aufenthalt an der Vogelstange setzt sich der Schützenzug wieder in Bewegung. Endpunkt des Zuges ist die Schützenhalle. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Ehrungen für langjährige Mitgliedschaften und besondere Verdienste vorzunehmen. Auch die Jubelkönigspaare werden geehrt. Die Jubelkönigin erhält vom Oberst einen Blumenstrauß, der Jubelkönig ein Ordenszeichen.

Nach den Ehrungen spielt die Musik zum Tanz auf, oft bis weit in die Nacht hinein. Vor einigen Jahren war dies noch undenkbar. Der Stangenabend war mit dem Aufsetzen des Vogels und einem Umtrunk beendet. Der Schützenfestsonntag ist das Hochfest des Königs und der Königin. Am frühen Nachmittag versammeln sich die Schützen zum Festzug an der Schützenhalle. Das Tragen einer dunklen Jacke, der Schützenkrawatte, der weißen Hose und der Schützenmütze ist Pflicht. Auch das mit einer Blume geschmückte Holzgewehr darf zum Umzug nicht fehlen. Der Hauptmann läßt pünktlich um 14.00 Uhr antreten. Angeführt vom Tambourkorps Mülheim und dem Musikverein Sichtigvor geht es zunächst zur St.-Barbara-Kirche, um die Bruderschaftsfahnen abzuholen. Am Gasthof Jacobs wartet der Oberst auf seine Schützen. Nach militärischem Brauch erstattet der Hauptmann dem Oberst Meldung. Der Oberst inspiziert die Kompanie und überzeugt sich von der ordnungsgemäßen Kleidung der Schützen. Anschließend geht der Umzug der Schützen zum eigentlichen Ziel, zum Haus des Königspaares. Hier warten das Majestätenpaar, mit allen Zeichen der Würde geschmückt, und sein Hofstaat in hochfestlicher Kleidung darauf, im Festzug durch den Ort geleitet zu werden. Ein Ritual wie vor mehr als 100 Jahren wiederholt sich: Unter den Klängen des Präsentiermarsches schreiten Königspaar und Hofstaat die Reihen der mit präsentiertem Holzgewehr angetretenen Schützen ab. Das farbenprächtige Bild der eleganten Kleider der Hofdamen, der Uniformen der Spielmannszüge und der Schützen und wehende Fahnen beherrscht die Szene. Die Schützen vollziehen es mit Ernsthaftigkeit. Der Oberst läßt das Königspaar hochleben. Die Schützen stimmen in die Hochrufe ein. Der König erwidert die Wünsche und bringt ein Hoch auf das Tambourkorps Mülheim, auf den Musikverein Sichtigvor und auf die Bruderschaft St. Antonius Waldhausen aus. Dann setzt sich der Zug nach festgelegtem Weg durch die Straßen in Bewegung. An den Straßenrändern haben sich Schaulustige aus den Nachbargemeinden eingefunden. Nicht selten erhalten das Königspaar und der Hofstaat Beifall von den Umstehenden. Der Festumzug endet in der Schützenhalle mit dem Königstanz. Unter der Achtungsbezeugung der Schützen tanzt zunächst das Königspaar und anschließend der Hofstaat. Danach begibt sich das Königspaar mit seiner Begleitung zum wohlverdienten Kaffee trinken. Alles vollzieht sich nach festgelegten Regularien. Der Vorstand der Bruderschaft achtet peinlich genau auf ihre Einhaltung und macht den König hier und da auf Besonderheiten aufmerksam, die er nicht wissen kann.

Um 19 Uhr ist Kindertanz. Königspaar, Hofstaat und Vorstand holen die Kinder auf die Tanzfläche. In den Pausen zwischen den Musikstücken wirft das Königspaar Bonbons. Nach dem Kindertanz werden die beiden Bruderschaftsfahnen unter den Klängen der Musik zum Hof Hermannschulte gebracht. Hier bleiben sie bis zum Montagmorgen.

Unterdessen beginnt in der Schützenhalle der Festball. Vor den Theken drängt man sich in kleinen Gruppen, man erzählt, trinkt den „Gerstensaft“, singt und tanzt. Das Königspaar ist stolz, wenn eine frohe und ausgelassene Stimmung herrscht.

Spät am Abend wird es noch einmal hochoffiziell. Die Musiker des Musikvereins Sichtigvor nehmen am Königsthron Aufstellung und bringen dem Königspaar samt seinem Hofstaat ein Ständchen. Es wird dabei gesungen und geschunkelt, nicht selten stellt man sich dabei auf Stühle und Tische, je nach Spaß und Laune. Königspaar und Hofstaat halten oft noch lange aus. Immer finden sich in den frühen Morgenstunden noch einige Unentwegte, die dem Königspaar bis zur Haustür „Begleitschutz“ gewähren, in der Hoffnung dafür mit einer kleinen Stärkung angemessen entlohnt zu werden. Am Montagmorgen treffen sich die Schützen um 9 Uhr zum Frühschoppen in der Schützenhalle. Nachdem sie sich gestärkt haben, marschieren sie, angeführt von Tambourkorps und Blasmusik, zum Schießplatz. Gegen 10 Uhr wird das Vogelschießen mit dem Schuß durch den Präses eröffnet. Den zweiten Schuß hat „der alte König“, den dritten der Oberst. Dann heißt es „Feuer frei“ für alle Schützen. Als Schießmeister fungiert Ludwig Arens. Er sorgt für das Laden der Schrotflinte und überwacht den sachgerechten Umgang mit der Waffe. Und schon bald muß der Vogel seine „Federn“ lassen. Zepter, Apfel und Krone fallen in der Regel zuerst. Die Blasmusik spielt jeweils einen Tusch, wenn ein Schütze einen guten Treffer landet und der Vogel merklich weniger wird.Hinter der Absperrung wartet die Menge der Schaulustigen. Hin und wieder geht ein Raunen durch die Menge, wenn nach dem Schuß ein größeres Stück vom Vogel zur Erde stürzt: Wer war der Schütze? Meint er es ernst oder fuhr ihm der Schreck in die Glieder? Aber dann ist es soweit, ein Jubelschrei bricht plötzlich los. Allen wird schlagartig klar, wir haben einen neuen Schützenkönig. Man braucht nicht lange zu fragen, wer der Schütze ist. Er wird auf die Schultern gehoben und schwingt seine Schützenmütze. Die Blaskapelle spielt einen Tusch, dazwischen hört man Hochrufe und aufgeregte Stimmen. Den Gesichtern von Oberst, Hauptmann, Adjutant und den übrigen Vorstandsmitgliedern sieht man es an: Erleichterung, Freude, Zufriedenheit, wir haben es wieder einmal geschafft, wir haben einen neuen Schützenkönig. Der Festwirt zapft eilig das Bier in die Gläser. Man will auf den neuen König anstoßen. Der König wird umringt, man gratuliert. Inzwischen haben sich auch die Honorationen eingefunden: Die Ortsvorsteher des Kirchspiels, der Bürgermeister der Stadt Warstein, die Vertreter der Stadtverwaltung und der heimischen Sparkassen. Auch sie reihen sich in die Schar der Gratulanten ein.

Nach der Gratulation und der ersten Runde Bier gibt es unter den Umstehenden nur eine Frage. Wer wird Königin, ob der König es selbst schon weiß?

Aber nach kurzer Beratung mit dem Vorstand setzt sich der Adjutant in Bewegung, um die Auserwählte zu benachrichtigen. Oft ist sein Weg nur kurz, wenn sich die begehrte Dame unter den Zuschauern befindet. Nach spannungsvollen Augenblicken während des Schießens kehrt wieder Ruhe und Gelassenheit unter den Schützenbrüdern und dem Publikum ein. Dann nimmt der Oberst die Proklamation des neuen Schützenkönigs vor. Vor den Augen der angetretenen Kompanie stattet der Oberst den neuen König mit den äußeren Zeichen seiner Würde aus. Er bekommt die Schützenkette und die bekränzte Schützenmütze überreicht. Der alte König muß es ertragen, daß er nun diese Zeichen abgeben muß. Die Umstehenden rätseln über seinen Gemütszustand. Zeigt er echte Trauer oder ist Erleichterung bei ihm zu spüren, nachdem die Bürde eines anstrengenden Jahres von ihm gewichen ist? Ganz gleich, die volle Aufmerksamkeit gilt von jetzt an dem neuen König. Der Oberst bringt ein erstes Hoch auf den neuen König aus. Beim anschließenden Marsch der Schützen mit ihrem neuen König zur Schützenhalle erweisen auch die Ehrengäste der Bruderschaft dem König ihre Achtung. Sie marschieren im Zug mit. In der Schützenhalle findet ein gemütlicher Ausklang statt. Hier und dort zieht man sich auch für die nächsten Stunden in die Häuser zurück, um einen uralten Waldhausener Brauch zu pflegen, das Eierbacken.

Das neue Königspaar berät mit dem Vorstand der Bruderschaft über die Zusammensetzung des Hofstaates. Alles geht dann in Eile. Der neue Hofstaat muß benachrichtigt werden. Das ist Aufgabe des Adjutanten, der die Einladungen persönlich überbringt.

Die Sorge um die Kleidung macht besonders den Hofdamen zu schaffen, aber am späten Nachmittag ist alles perfekt. Am Nachmittag um 16 Uhr sammeln sich die Schützen zum Festumzug mit dem neuen Schützenkönig an der Schützenhalle. Das neue Königspaar wird abgeholt, und das Zeremoniell vom Vortag wiederholt sich: Festumzug, Königstanz, Kaffee trinken, Kindertanz.

Doch hat der Montagabend noch einen Höhepunkt, die traditionelle Polonaise auf dem Hof Schlüter. Ein Schützenbruder mit seiner Ehegattin führt die Polonaise an. Die Blasmusik sorgt mit zünftiger Musik für den richtigen Schritt. Das Spektakel lockt viele Zuschauer an, denn das Ganze hat Modeschau ähnlichen Charakter. Insbesondere die neuen Kleider der Hofdamen ziehen die Blicke auf sich. Nach der Polonaise geht es zurück zum Schützenball in die Halle.

Ein letzter offizieller Akt ist das Wegbringen der Fahnen zur St.-Barbara-Kirche. Und wer dann meint, mit dem mitternächtlichen Ständchen würde die Schützenmütze für ein ganzes Jahr an den Haken gehängt, mag sich manchmal irren. Es kann nämlich sein, daß sich am Dienstagnachmittag noch einige Schützen, inoffiziell natürlich, irgendwo in einem Haus einfinden, um ihren „Kater“ langsam loszuwerden und das Fest endgültig ausklingen zu lassen.  


Quelle:
Festschrift 125 Jahre Schützenbruderschaft St. Antonius Waldhausen

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