Schützenbruderschaft St. Antonius Waldhausen 1870 e.V.
Vereinsgeschichte nach Kriegsende
Ein Neubeginn
Während des 2. Weltkrieges hatte das Vereinsgeschehen geruht. In der ersten Zeit nach dem Zusammenbruch war das Denken und Streben der Bevölkerung all ein auf die Daseinsfürsorge gerichtet, auf die Befriedigung der elementarst en Bedürfnisse. Trotz alledem oder gerade deswegen gab es auch schon bald das Verlangen nach Freude, Ausgelassenheit und Erholung in einer von harter Arbeit geprägten Zeit. Der Wunsch, traditionelle Volksfeste wieder aufleben zu lassen, reifte nach und nach bei allen, die in irgendeiner Weise Verantwortung trugen. Was lag näher, als sich zuerst wieder an das Schützenbrauchtum mit seinen Festen und Feiern zu erinnern. Zu Beginn des Jahres 1947 dachte man über eine Wiederbelebung des Schützenwesens in Waldhausen nach. Insbesondere Heinrich Jaeger, sen., er war vor dem Krieg stellvertretender Vorsitzender der Waldhausener Schützen gewesen, und Franz Kühle – Hermannschulte regten die Neubildung der Schützengemeinschaft an. Der Vorkriegsoberst Kaspar Koers war durch eine Unfallverletzung, nicht mehr in der Lage, an der Neugründung mitzuwirken. Schließlich wurde die erste Nachkriegsgeneralversammlung am 1. Juni 1947 von Pfarrer Wilhelm Muder eröffnet. Der Chronist Lehrer Brüne schrieb dazu: „Pfarrer Muder ging in seiner Begrüßungsansprache auf den Sinn von Schützenvereinen ein und betonte insbesondere, daß der Name Schütze von ‚beschützen‘ abzuleiten sei und nichts mit ’schießen‘ zu tun habe. Er wünsche, daß alle Schützen sich diesem Selbstverständnis bewußt seien und danach handeln sollten. Die Besinnung auf die karitative Tätigkeit im Geiste christlicher Nächstenliebe, auf den Bruderschaftsgedanken, war angesichts der schweren Zeit nach Kriegsende in besonderer Weise ein Gebot geworden. Dem Seelsorger ging es bei der Belebung des Schützenwesens im Kirchspiel Mülheim um eine enge Bindung der Schützenvereine an die katholische Kirche. Der Anschluß der Schützenbruderschaft Waldhausen an die kirchliche Vereinigung der Kölner Erzbruderschaft vom hl. Sebastian als Dachverband katholischer Schützenbruderschaften war das äußere Zeichen hierfür. Diese Eingliederung verhinderte zudem, eventuell von der Militärregierung als eine neomilitärische Gruppierung verdächtigt und verboten zu werden. Die britische Besatzungsbehörde gestattete am 1. Juli 1947 offiziell allen Sebastians-Bruderschaften im Kreis Arnsberg die Erlaubnis zur Wiederaufnahme ihrer althergebrachten Sitten und Gebräuche den Vereinigungen das Führen des Namenszusatzes „Schützen“. Die Wahlen in der ersten Generalversammlung nach dem II. Weltkrieg zum Vorstand hatten folgendes Ergebnis:
1. Vorsitzender: Heinrich Jaeger, sen.
2. Vorsitzender: Franz Kühle-Hermannschulte
Schriftführer: Fritz Dreischalück
Adjutant: Fritz Müller
Fahnenoffiziere: Hubert Hötte & Heinrich Kramer
Fähnrich: Karl Schirk; alte Fahne: Kaspar Pankoke
Königsoffiziere: Franz Schirk & Kaspar Schulte
Die Versammlung beschloß einstimmig, am 21. und 22. Juni ein Schützenfest zu feiern. Die Schenke wurde dem Schützenbruder Theodor Brock zugesagt. Eine Genehmigung zur Durchführung des Festes mußte bei der Amtsverwaltung in Warstein und bei der Militärregierung eingeholt werden.
Das erste Schützenfest nach dem Krieg 1947
Unter dem Datum vom 12.6.1947 stellte die Amtsverwaltung einen „Erlaubnisschein“ aus. Bemerkenswert ist an diesem Schreiben zweierlei. Um sicher zu gehen, daß die Militärregierung keine Einwände erhob, nannte man die Vereinigung „Schützenbruderschaft vom hl. Sebastian“, denn nur die Sebastians-Bruderschaften waren von der Besatzungsbehörde generell erlaubt worden. Die Amtsverwaltung schrieb die Erlaubnis auf die Rückseite eines Wahlzettels der ersten Kommunalwahl nach dem Krieg, ein deutlicher Hinweis auf die Zeitumstände. Trotz aller Schwierigkeiten ließ man sich nicht entmutigen. Ein Zelt entlieh man damals aus Westereiden gegen 10 Zentner Getreide. Loers Hof (heute Ernst Sauer) war der Festplatz, hier wurde das Zelt aufgebaut. Somit konnte das erste Nachkriegsschützenfest im Juni 1947 gefeiert werden. Am Samstagnachmittag vor dem „erlaubten“ Festtag ermittelte man den neuen König, Franz Haarhoff. Er hatte beim Vogelabwerfen mit Keulen die größte Treffsicherheit bewiesen. Er wählte sich Frau Anni Schulte zur Königin. Am Sonntagnachmittag konnte dann der Festumzug durch die Dorfstraßen mit dem ersten Königspaar nach Ende des Krieges stattfinden. Stolz trugen König und Königin wieder die Zeichen ihrer Würde, Königskette und Königinnen-Diadem Übrigens ist es der Frau des „alten“ Königs, Frau Klara Beele, zu verdanken, daß das Königssilber der Schützenbruderschaft erhalten blieb. Sie hatte die Königskette in den unsicheren Kriegsjahren sorgfältig verwahrt. Oberst, Hauptmann und Adjutant ritten zu Pferde im Zug mit. Es gab nur wenige Pferde, die für Festumzüge geeignet waren, also beim Trommelwirbel des Spielmannszuges und beim Tusch der Blasmusik nicht scheuten. Die älteren Waldhausener Schützen erinnern sich noch gern an „Moritz“ aus dem Stall von August Kühle-Hillebrand, an den Schimmel von Paul Schlüter und an „Hektor“, den Franz Kühle-Hermannschulte besaß. Pferde gehörten um diese Zeit zu den wenigen Dingen, auf die man noch stolz sein konnte. Die Pferde waren herausgeputzt, sie trugen blank gewienertes Zaumzeug und einen aus Eichenlaub gewundenen Kranz. Nach dem Umzug hatten die weißen Hosen des berittenen Schützenvorstandes oft eine bräunliche Farbe angenommen. Zum abendlichen Ball unter dem Zelt war die Kleidung wieder in Ordnung gebracht. Trotz der bedrückenden Zeitumstände waren alle festlich gekleidet, die Schützen mit ihren Frauen, die Jungschützen mit ihren Mädchen und auch die Gäste. Alkoholische Getränke waren 2 Jahre nach Kriegsende noch keine Handelsware. Man hatte sich mit Fliegerbier (Limonade) zu begnügen. In verschiedenen Häusern des Ortes stellte man trotz strengen Verbots Selbstgebrannten her. Die Hinweise auf die Gefahren, denen man sich beim Genuß dieses Alkohols aussetzte, nahm man nicht ernst. Jeder brachte sein Produkt zum abendlichen Schützenball mit. Und dann wurde probiert. Wer hatte die beste Rezeptur? Welches Destillat war am bekömmlichsten? Doch die Wirkung des Schwarzbrandes war meist unberechenbar, und dem einen oder anderen Schützenbruder wurde ganz gehörig das Fest verdorben. Lehrer Brüne schrieb nach dem ersten Nachkriegsschützenfest kurz und bündig ins Protokollbuch: „Das Fest wurde gefeiert, die Königswürde errang Schützenbruder Franz Haarhoff, der sich Fräulein Änny Schulte zur Königin erkor. Am Morgen nach dem Fest fand man beim Aufräumen einen auswärtigen Gast, vom Selbstgebrannten arg mitgenommen. Man brachte ihn in einem Handwagen zum Hauptmann Kühle-Hermannschulte. Dieser besah sich Rudolf, so hieß der verschmähte Liebhaber einer Dorfschönen, und rief Dr. Berghoff aus Allagen hinzu, weil er eine Alkoholvergiftung vermutete. Vom Nachbarhaus beobachtete Wilhelm Eickhoff wenig später den untersuchenden Arzt. Wilhelm war ausgebildeter Ortssanitäter. Noch im Schlafanzug bekleidet eilte er hinzu und bot seine Hilfe an, indem er rief: „Herr Dr. Berghoff, hier Sanitäter Eickhoff! “
Die Sebastiansfeier
Pfarrer Wilhelm Muder hatte bei den Neugründungen der Schützenbruderschaften im Kirchspiel Pate gestanden und auf die Bindung an die katholische Kirche großen Wert gelegt. Die äußeren Zeichen dafür waren vielfältig. Die Schützen nahmen mit Fahnenabordnungen und Baldachinträgern an allen Prozessionen im Kirchspiel teil. An besonderen Festtagen und Jubiläen traten sie ebenfalls mit ihren Uniformen und Fahnen in Erscheinung. Das war schon Vorkriegstradition gewesen und gilt bis in die heutige Zeit fort. Pfarrer Muder wollte jedoch den Blick noch stärker auf die bruderschaftliche Geisteshaltung lenken und führte die Sebastiansfeier ein.
Am Sonntag am oder nach dem 20. Januar, dem Festtag des hl. Sebastian, trafen sich die Schützenbrüder der drei Kirchspielsbruderschaften aus Mülheim, Sichtigvor und Waldhausen auf dem Klosterhof in Sichtigvor, um mit ihren Fahnenabordnungen am Festhochamt zum Gedächtnis des hl. Sebastian teilzunehmen. Das Patronat des hl. Sebastian geht auf den römischen Offizier Sebastianus zurück, der im 3. nachchristlichen Jahrhundert Opfer der letzten großen Christenverfolgung wurde. Der Legende nach kümmerte er sich um gefangene Christen, wurde deshalb vom Kaiser Diokletian verhört, an einen Baum gefesselt und von Bogenschützen beschossen. Durch sein Pfeil-Martyrium wurde Sebastian nicht nur zum wichtigsten und deshalb am häufigsten dargestellten Schutzheiligen gegen die Pest, gegen die von Gott zur Strafe gesandten Pestpfeile, sondern auch zum Schirmherr der Bogenschützen. Im übertragenen Sinn gilt der hl. Sebastian damit als derjenigen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, für den Schutz anderer Menschen einzustehen. Für die Schützenbrüder war mit dem Besuch des Gottesdienstes auch ein Frühschoppen in der jeweiligen Vereinsgaststätte verbunden. Da einige Schützenbrüder diesen Umtrunk bis weit in den Nachmittag ausdehnten, kamen einige Beschwerden der Ehepartner auf Umwegen dem Pfarrer zu Gehör. Einige Frauen raunten hinter vorgehaltener Hand, der Pastor solle die Sebastiansfeier doch bitte wieder abschaffen, sie sei ja auch früher nicht üblich gewesen. Pfarrer Muder war für seinen Witz und tiefgründigen Humor bekannt. Als die Sebastiansfeier wiederum anstand, erklärte er im Sonntagsgottesdienst: „Mir sind bezüglich der Sebastiansfeier einige Beschwerden zu Ohren gekommen. Ich habe deshalb in der Sakristei ein Buch ausgelegt. Jeder, der etwas gegen die Feier einzuwenden hat, kann das dort niederschreiben“. Pfarrer Muder hatte natürlich damit gerechnet, daß niemand den Mut zur Beschwerde fand. Offene Kritik am Pfarrer? Eine Unmöglichkeit in diesen Jahren. Er verkündete am darauffolgenden Sonntag freudig: „Ich habe im Beschwerdebuch keine Eintragung gefunden, also kann die Sebastiansfeier wie gewohnt stattfinden“.
Das Tambourkorps
Bald nach dem ersten Nachkriegsschützenfest konstituierte sich das Tambourkorps neu. Es hatte schon vor dem Krieg über einen langen Zeitraum bestanden. Als Stabführer sind noch Heiner Trompeter und Franz Beele den älteren Schützenbrüdern in guter Erinnerung. Heinrich Gosmann, der auch schon vor dem Krieg Tambourmajor gewesen war, sammelte um sich die Spielleute der „ersten Stunde“. Die Ausbildung der Trommler übernahm Kaspar Hötte in Taubeneiche. Zum üben schonte man die Trommelfelle, man begnügte sich mit alten Warenkatalogen. Meist übte man sonntags nach dem Mittagessen. Um 2 Uhr wurde es dann Zeit für die Andacht, die man gemeinsam mit Kaspar Hötte besuchte. Die Flötisten erhielten Unterricht bei Wilhelm Eickhoff (Schmitten). Geübt wurde bei „Schmitten“ auf der Deele. Wilhelm Eickhoff war nicht gerade von großer Statur. Des besseren Überblicks wegen stellte er sich auf einen Schüsselpott und organisierte den Einsatz zum Spiel einfach so: „Wann ick nuckere, dann mügge spiellen.“ (Wenn ich nicke, dann fangt ihr an zu spielen). Da die Flötisten auch das Marschieren üben mußten, führte er die Gruppe regelmäßig in seine Weide hinter dem Haus. Einige Zeitgenossen frotzelten: „Die treten ihm billig die Maulwurfshügel auseinander“. An Uniformen war nicht zu denken, blaues Oberhemd und dunkle Hose mußten genügen. Das Tambourkorps wuchs in kurzer Zeit auf eine Stärke von über 30 „Mann“ heran.
Die Generalversammlung beschloß: „Wir feiern auch 1948 ein Schützenfest“.
Konnte das erste Schützenfest nur eintägig gefeiert werden, so durfte man das zweite schon wieder auf die althergebrachte Dauer erweitern. Die Genehmigung durch die Amtsverwaltung in Warstein lautete wie folgt:
Warstein, den 19.05.1948
Erlaubnisschein
Der Schützenbruderschaft St. Antonius Waldhausen wird hiermit Erlaubnis erteilt, ein Schützenfest zu feiern.
Sonntag 30. 05. 48 ab 15 Uhr Festumzug
Montag 31. 05. Kirchgang und Vogelabwerfen nachmittags 3 Uhr Umzug und Tanz.
Mit diesem Erlaubnisschein erhielt die Schützenbruderschaft ihren offiziellen Namen „Schützenbruderschaft St. Antonius Waldhausen“.
Die Vogelstange, der Trommelmann und der Stangenabend – die Schützen sind unter sich.
Zur Festvorbereitung gehörte das Aufstellen der Vogelstange, die zu Zeiten der Zeltfeste auf Dalhoffs Hof lagerte. Bereits eine Woche vor dem Fest wurde die Stange gesäubert und von den Jungschützen auf der Schulter durch das Dorf zum Schießplatz getragen und aufgestellt. Das war ein nicht ganz einfaches Unterfangen, die Schützen mußten gehörig aufpassen, nicht die Gewalt über die Stange zu verlieren. Wenn dann am Nachmittag des Schützenfestsamstages der „Trommelmann“ durch die Straßen marschierte, wußte jedermann im Dorf: „Das Fest kann beginnen“. Anton Kemper aus Sichtigvor hat über viele Jahre mit seiner Trommel das Schützenfest in Waldhausen eingetrommelt: „Von einer Schar Jungen begleitet, zog ich mit der Trommel von Haus zu Haus. überall schenkte man mir einen Schnaps ein. Mit einem Trommelwirbel bedankte ich mich und zog weiter. Einige Familien hatten ein Körbchen mit Eiern auf die Haustreppe gestellt. Statt Schnaps trank ich ein rohes Ei aus. Ja, so war es Brauch. Die Anwohner wären beleidigt gewesen, wenn ich eine Straße überschlagen hätte“. Die Festankündigung durch den Trommelmann war den Waldhausenern nicht genug. Der Adjutant war seit den Mittagsstunden unterwegs, ging in jedes Haus, richtete im Namen des Schützenvorstandes herzliche Grüße aus und lud alle Hausbewohner ein, am Schützenfest teilzunehmen. Auch er erhielt zum Dank einen Schnaps oder ein Trinkgeld. Das Aufsetzen des Vogels war ursprünglich der Höhepunkt des Stangenabends. Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre ließ es sich der Landarbeiter Fritz von Eigen – er war auf Loers Hof angestellt – nicht nehmen, den Vogel im Schützenzug zum Schießplatz zu tragen. Das war schon eine besondere Ehre. Der Vogel in schwindelnder Höhe auf der Stange war oft den Attacken von jungen Burschen aus den Nachbarorten ausgesetzt. Man sägte die hölzerne Stange an oder gar ab, um den Vogel zu beschädigen oder gar zu zerstören. Insgeheim freute man sich auf ratlose Gesichter, wenn die Waldhausener Schützen am Montagmorgen Schwierigkeiten hatten, ihren neuen König zu ermitteln. Um Störungen zu verhindern, stellten die Schützen die Schäferkarre von Vonnahmen als Wachhäuschen unter die Vogelstange, einige Schützenbrüder wurden zur Wache eingeteilt. Ein paar Störenfrieden gelang es dennoch, in unbewachten Augenblicken die Verschraubungen der Halterung zu lösen. Die Stange stürzte herab und zerbarst in drei Teile. August Kühle stiftete eine neue, die in der gefährdeten Höhe mit Eisenstangen armiert wurde. Ruhe kehrte erst ein, als man für ein paar Jahre das Vogelaufsetzen am Stangenabend nur symbolisch durchführte und den Vogel erst kurz vor dem Schießen am Montagmorgen auf die Stange setzte. Nach dem Vogelaufsetzen gab es dann ein gemütliches Beisammensein. Dieser Samstagabend vor dem Schützenfest, der sogenannte „Stangenabend“ war von jeher ein „Herrenabend“ gewesen, ein Mädchen durfte nicht auf dem Fest erscheinen. Offensichtlich hatte man sich nach dem 2. Weltkrieg nicht an überkommene Bräuche gehalten oder sie in den Jahren ohne Feier einfach vergessen, so daß im März 1948 folgender Beschluß gefaßt werden mußte: „Laut Generalversammlung darf am Samstagabend kein Mädchen auf dem Tanzboden erscheinen. Mädchen unter 18 Jahren dürfen nicht zur Königin noch zur Hofdame gewählt werden. In den ersten Nachkriegsjahren galt der Stangenabend nicht als offizieller Schützenfesttag, er diente eigentlich nur der Vorbereitung des jährlichen Hochfestes. Vielleicht lag hier der Grund für die Ausgrenzung der Damen. Dennoch mutet es schon etwas eigenartig an, wenn überliefert wird, daß die Schützenbrüder mangels weiblicher Tanzpartner sich gegenseitig zum Tanz aufforderten.
Das Vogelschießen 1948
Der zweite Schützenfesttag begann mit dem Schützengottesdienst in der St.-Barbara-Kirche und der anschließenden Gefallenenehrung. Danach marschierten die Schützen, angeführt vom Tambourkorps und der Blasmusik, zum Vogelschießen. Oberst, Hauptmann und Adjutant reihten sich hoch zu Pferde hinter der Musik in den Zug ein. Das Tragen der Schützenmütze war dabei wie auch bei den Festumzügen für alle Schützen eine Pflicht. Übrigens war die Schützenmütze Ende der zwanziger Jahre eingeführt worden. Jeder Schützenbruder konnte sie bei Schneidermeister Fritz Grawe käuflich erwerben. Fritz Grawe bot seinerzeit Schützenmützen der Marke „Peküro“ mit einem weiß -grün – roten Band an, stirndruckfrei mit innenliegendem Samtband“. Der Schneidermeister hatte auch in Uelde eine große Kundschaft. Als einige Jahre später die Uelder Schützenbrüder nach einer Kopfbedeckung Ausschau hielten, wählten sie bei Fritz Grawe Mützen in den gleichen Farben. Das erwies sich in der Folgezeit als recht praktisch. Waldhausener und Uelder Schützen konnten sich gegenseitig aushelfen, wenn einmal eine Mütze fehlte. An der Vogelstange am östlichen Ortsausgang umrundete der Schützenzug nach altem Brauch einmal die Vogelstange, ehe der Hauptmann zum Vogelschießen wegtreten ließ. Das Führen von Schußwaffen jeglicher Art war jedoch zu dieser Zeit von der Besatzungsmacht nicht gestattet. Der Vogel mußte also mit Keulen, die eigens zu diesem Zweck angefertigt worden waren, abgeworfen werden. Damit ein Vogelabwurf einigermaßen erfolgreich verlaufen konnte, wurde die Vogelstange gekürzt und der Vogel selbst leichter als üblich hergestellt. Nach der Königsermittlung wurde gratuliert, der Schützenvorstand beriet mit dem neuen König über die Wahl der Königin und des Hofstaates. Schließlich erhielt der neue König seine Insignien überreicht, die Königskette und die bekränzte Schützenmütze. Die Schützen zogen dann mit altem und neuem König zurück ins Dorf. Die Blaskapelle spielte nach alter Tradition und aus den geschmierten Schützenkehlen tönte es:
Johannes, hett’n Haut,
dei Haut, dei hett’n Daler kost,
’n Daler kost,
’n Daler kost,
’n Daler kost!
Für die Jungschützen war es dann Zeit, nach alter Tradition auf Eierklau zu gehen. Um den Schützenfestmontag einigermaßen zu überstehen, benötigte man eine Grundlage. Man glaubte fest an die Wirkung von Eiern, roh genossen oder gebraten, ganz einerlei. Kein Hühnerstall war sicher genug verschlossen. Mancher Jungschütze zwängte sich durchs „Hühnerloch“ und holte sich einfach, was er brauchte. An diesem Tag war es erlaubt, ein Kavaliersdelikt, wenn man so will. Währenddessen bestellte der Adjutant zu Pferde die Königin und den Hofstaat. Die Eingeladenen bedankten sich mit einem Schnaps, den der reitende Bote hoch zu Roß in Empfang nahm, ehe er zum nächsten Haus weiter ritt. Als die Motorisierung einsetzte, änderte sich dieser Brauch recht schnell. Der Adjutant erledigte jetzt seine Aufgabe, indem er sich von Haus zu Haus mit dem PKW chauffieren ließ. Eine Besonderheit nach dem Festumzug und dem traditionellen Kaffee trinken am Schützenfestmontag war die Polonäse, die auf der Wiese am Hof Schlüter gegangen wurde. Über viele Jahre ließen es sich Dr. Paul Eickenbusch und seine Gattin Frieda nicht nehmen, den Zug der Paare anzuführen. Das Publikum sah vom Rand her dem Treiben zu, bewunderte die Festkleidung und spendete nicht selten Beifall. Nach der Polonäse nahmen die Mädchen ihren Partner mit nach Hause zum Essen. In fast allen Häusern war der Tisch gedeckt.
Es gibt wieder Bier und Holzgewehre 1948
Im Frühjahr 1948 hatte Hauptmann Franz Kühle-Hermannschulte mit der Brauerei in Warstein verhandelt. Er trug in einer Versammlung den Schützenbrüdern vor, daß eine Lieferung von Vollbier zum Schützenfest möglich sei. Der Protokollant vermerkte dazu: „Nach den Ausführungen von Franz Kühle-Hermannschulte entschied sich die Versammlung mit großer Stimmenmehrheit für die Ausgabe von Vollbier“.‘) Der Beschluß konnte jedoch nicht problemlos realisiert werden. Eine Verhandlungskommission, bestehend aus den Schützenbrüdern Heinrich Arens, Kaspar Pankoke, Heinrich Koers und Franz Kloer wurde beauftragt, die Frage des Bierausschanks endgültig zu klären. Nach Jahren erzwungener Abstinenz war die Frage angemessener Bewirtung von besonderer Wichtigkeit geworden. Es war üblich gewesen, daß die Sichtigvorer Blasmusiker nach dem Schützenball am Sonntagabend in verschiedenen Häusern Nachtquartier erhielten ‚ damit sie am Montagmorgen rechtzeitig zum Blasen der Reveille, so nannte man beim Militär den Weckruf mit der Trompete, zur Stelle waren. Ende der vierziger Jahre bereitete die Unterbringung von 14 Musikern jedoch Schwierigkeiten. Der Grund dafür mag in dem rasanten Anstieg der Einwohnerzahl Waldhausens zu suchen sein. Lebten 1939 348 Einwohner in Waldhausen, so waren es 1946 465 und 1950 sogar 495. Neue Wohnungen waren deswegen nicht entstanden, es war in den Häusern für alle etwas enger geworden. So entschied man sich, auf die Reveille am Montagmorgen zu verzichten. Die Musiker konnten nach dem Ball zu Hause in Sichtigvor übernachten. Zum zweiten Schützenfest nach Kriegsende wollte man wieder Holzgewehre beim Festumzug tragen. Da ein Teil derselben verlorengegangen war besorgte der Verein in Sichtigvor und Mühlheim leihweise 50 Holzgewehre. Der Schriftführer, Lehrer Brüne, schrieb im Sommer 1948 ins Protokollbuch: „Das diesjährige Schützenfest wurde am 30. und 31. Mai auf Loers Hof gefeiert. Der Vogel wurde durch Keulen abgeworfen. Schützenkönig wurde Karl Gosmann, Schützenkönigin Fräulein Klärchen Kramer. Schützenbrüder feierten in diesem Jahre ihr 50 jähriges Mitgliedsjubiläum. Es waren die Schützenbrüder Franz Hötte, Heinrich Koers, Josef Kordes, Taubeneiche, Kaspar Schulte und Franz Beele aus der Beiwinde. Die Jubilare nahmen im vielgeschmückten Wagen am Festzug teil. Oberst Jaeger ehrte die Jubilare in einer herzlich gehaltenen Ansprache. Leider konnte Schützenbruder Franz Beele krankheitshalber nicht teilnehmen. Die Festfreude wurde getrübt durch den Tod des langjährigen Obersten und Schriftführers Wilhelm Vonnahme. Vor dem Hause des Toten hielt der Schützenzug an. Die Fahnen senkten sich zum stillen Gruß. Ein Jahr später fand das Schützenfest auf Schlüters Hof statt. Die Festverdingsbedingungen waren noch wenig umfangreich. Die Festwirtin, Frau Grawe, hatte den Festplatz zu stellen, die Musiker mit Getränken zu versorgen und 5,00 DM pro Hektoliter Bier an die Bruderschaftskasse zu zahlen. Zum Festverlauf notierte der Schriftführer: „Das diesjährige Schützenfest wurde am 29. und 30. Mai gefeiert. Es regnete an beiden Tagen in Strömen. Dennoch war die Stimmung gut. Schützenkönig wurde Karl Schirk, der sich Fräulein Karola Kühle zur Königin erwählte. Der Vogel wurde mit Keulen abgeworfen.
Der Schrotschuß auf den Vogel 1950
Ein besonderer Vorfall ereignete sich beim Vogelabwerfen am 5. Juni 1950. August Kühle war mit anderen Schützen eifriger Bewerber um die Königswürde. Eine Keule traf ihn dabei an den Kopf und verletzte ihn Gott sei Dank nur geringfügig. Das Vogelabwerfen wurde sofort unterbrochen, und der Vorstand zog sich zur Beratung über den Fortgang der Königsermittlung zurück. Zwischenzeitlich war Josef Koers nach Haus gegangen und hatte seine Schrotflinte geholt. Als Jagdaufseher hatte er bereits wieder die behördliche Erlaubnis erhalten, eine Waffe zu führen. Der Schützenvorstand zeigte sich mit dem sich anbahnenden Vorhaben – wenn dem einen oder anderen auch noch Bedenken kamen, schließlich war der Gebrauch der Schußwaffe unter der Vogelstange nicht erlaubt – einverstanden. August Kühle holte mit wenigen gezielten Schrotschüssen den Vogel von der Stange. Der nachmittägliche Festumzug begann mit dem Abholen des Königspaares und des Hofstaates vom Hause der Königin. Hofstaat und Schützenvorstand waren traditionsgemäß zum Kaffee trinken eingeladen. Während man nun im Haus an der Kaffeetafel saß, lagerten die Schützen auf dem Hof und auf der Straße. Das Königspaar verschönte den Schützen mit der Spende eines Fäßchens Bier zwar das Warten, jedoch konnte der Aufenthalt bei regnerischem Wetter recht ungemütlich werden. August Kühle überredete den Vorstand, mit dieser Tradition zu brechen und das Kaffee trinken nach dem Festzug unter das Zelt zu verlegen.
Ein Plan wird realisiert, die Schützenhalle wird gebaut 1952
Einen bedeutungsvollen Zeitabschnitt in der Geschichte der Schützenbruderschaft St. Antonius nahmen Planung und Durchführung des Neubaus einer Schützenhalle ein. Im Herbst des Jahres 1951 stellte man im Vorstand der Bruderschaft erste Überlegungen an. Äußerer Anlaß waren die Schwierigkeiten, die man mit den Zeltfesten auf den Höfen gehabt hatte. Das Schützenfest auf dem Hof Schlüter Jahre 1949 beispielsweise hatte unter einem außergewöhnlich starken Regen gelitten. Unter dem Zeltdach war es bei schlechter Witterung empfindlich kühl. Es mußte nach den Feiern gründlich aufgeräumt werden, Glasscherben, ohne die geht’s nun ‚mal nicht, sorgten für Unmut, zudem war der Hofraum fast für eine ganze Woche blockiert. Sicherlich gaben auch die Beispiele in den Nachbarorten – die Allagener bauten um diese Zeit beispielsweise ihre Möhnetalhalle – den Überlegungen zum Hallenbau Auftrieb. Es gab jedoch auch noch andere Erwägungen. Zu Beginn der fünfziger Jahre setzte eine neue Landflucht ein. Die aufstrebende Industrie und das Bauhandwerk zogen Arbeitskräfte an, die Nachkriegsarbeitslosigkeit verschwand fast schlagartig. Den Abwanderungstendenzen aus dem rein landwirtschaftlich strukturierten Waldhausen wollte man entgegenwirken, indem man versuchte, die dörfliche Gemeinschaft zu stärken. „Gemeinschaft wird durch das Vereinsleben gefördert. Vereinsleben kann sich nur entwickeln, wenn äußere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehören geeignete Räumlichkeiten“. Mit diesen Argumenten ging der Schützenvorstand in die außerordentliche Generalversammlung am 16. 09. 195 1. Der Protokollant vermerkte über diese Zusammenkunft: „Es wurde festgestellt, daß der Bau einer Halle eine Notwendigkeit ist. Die Versammlung sprach sich einstimmig für den Bau einer Halle aus“. Einige skeptische ältere Schützenbrüder hatten ihren Söhnen vorher den Rat mit auf den Weg gegeben:“Stimm men tau, et giett doch nix! (Stimm nur zu, es gibt ja doch nichts!)“Doch diese sollten sich irren. Im Januar 1952 bestimmte die Schützenversammlung eine Baukommission. Heinrich Jaeger, Kaspar Pankoke, Wilhelm Dalhoff, Anton Gosmann und Franz Kühle gehörten ihr an. Wilhelm Dahlhoff zählte zu den tatkräftigsten Verfechtern der Idee, eine Schützenhalle zu errichten. Sein Wort fand stets Anerkennung bei den Schützenbrüdern. Die Bauplatzfrage konnte kurzfristig geklärt werden. Die Gemeinde Waldhausen tauschte ein ihr gehörendes Grundstück an der Vogelstange mit dem in der Höhre gelegenen Grundstück der Frau Grawe. Zur Finanzierung schlug der Vorstand folgendes Verfahren vor: „Alle Landwirte stiften 10 DM pro Morgen (= 1/4 Hektar) ihres Grundbesitzes. Die übrigen Schützenbrüder sollen einen einmaligen Zuschuß von 50 DM stiften. Der Vorschlag wurde von allen Schützenbrüden gutgeheißen „. Die Spende sollte von allen Milchlieferanten in 12 gleichen Monatsraten vom Milchgeld einbehalten werden. Die Molkerei Niederbergheim erhielt von den Spendern die schriftliche Einwilligung, die monatlichen Raten vom Milchgeld einzubehalten und direkt auf ein Sonderkonto bei der Mülheimer Spadaka zu überweisen. Damit praktizierte die Schützenbruderschaft mit gutem Erfolg eine frühe Form des Bankeinzugverfahrens. Der Besitz eines Grundstücks durch die Bruderschaft setzte die gerichtliche Eintragung des Vereins voraus. Diese und die weiteren notariellen Angelegenheiten beim Tausch des Grundstücks mit der Familie Grawe/ Fleitmann regelte der Notar Luig aus Warstein. Die Gemeinde Waldhausen trat den Bauplatz unentgeltlich an die Bruderschaft ab. Im März 1952 konnte das Baukommissionsmitglied Wilhelm Dalhoff der Schützenversammlung anhand des vorliegenden Bauplanes einen ausführlichen überblick über das geplante Bauvorhaben geben. Er erklärte, daß er über die große Einmütigkeit bei der Sammlung der Spendeneinwilligungen überrascht sei. Der Vorstand regte ein Preisschießen an. Der finanzielle Überschuß war für den Hallenneubau bestimmt. Es mutet ein wenig befremdlich an, wenn man Protokollbuch dazu liest: “ Um das Interesse am Schießen noch mehr zu steigern, wurde beschlossen, eine Tag für die älteren Schützenbrüder festzusetzen. Auch Frauen und Mädchen sollen sich am Schießen beteiligen „. Die Gemeinschaft der Schützen erlebte durch den Hallenbau einen ungeheuren Aufschwung. Man eröffnete bereits den 17jährigen die Möglichkeit zum Eintritt in die Bruderschaft. Sie konnten sich jeweils am 2. Ostertag eines jeden Jahres eintragen lassen. Schon am 11. Mai 1952 konnte der Grundstein zur Volkshalle – so wird die Schützenhalle gelegentlich in den Archivalien auch genannt – feierlich gelegt werden. Dazu führte der Schriftführer im Protokollbuch aus: „Um 14 Uhr marschierte der Verein im Festzug durch Waldhausen zum Bauplatz. Die Festansprachen wurden gehalten vom Amtsdirektor Geisler in Warstein und vom Präses des Vereins Herrn Pfarrer Muder in Mülheim“. In den Grundstein legte man damals eine Urkunde. Sie beginnt üblicherweise mit der Aufzählung der zeitgenössischen weltlichen und kirchlichen „Regenten“. Das Vorbild für die Art solcher Urkunden reicht weit in die Feudalzeit zurück, als die adeligen und kirchlichen Grundherren ihre Besitztümer und Titel in fast endloser Reihe aufzählten, bevor der Verhandlungsgegenstand erwähnt wurde.
Die Urkunde im Grundstein der Schützenhalle hat folgenden Wortlaut:
„WALDHAUSEN – PFARREI MüLHEIM-MöHNE KREIS ARNSBERG, DEN 11. MAI 1952GELOBT SEI JESUS CHRISTUS!IM JAHRE DES HEILS 1952 – SIEBEN JAHRE NACH BEENDIGUNG DES 2. WELTKRIEGES – ALS PAPST PIUS XII. DIE KIRCHE GOTTES REGIERTE, ALS DR. LORENZ JÄGER ERZBISCHOF DER ERZDIÖZESE PADERBORN WAR, ALS PROFESSOR THEODOR HEUSS ERSTER BUNDESPRÄSIDENT UND KONRAD ADENAUER BUNDESKANZLER DER NEUGESCHAFFENEN BUNDESREPUBLIK WAR, ALS KASPAR PANKOKE ZEITIGER BÜRGERMEISTER DER GEMEINDE WALDHAUSEN WAR, ALS HEINRICH BRÜNE UND GISELA FELDMANN ALS LEHRPERSONEN HIER WIRKTEN, ALS AN DER PFARRKIRCHE WILHELM MUDER PFARRER WAR, UND FRITZ APPELHANS FÜR DIE HIESIGE KAPELLE ALS PFARRVIKAR BESTELLT WAR, ALS DIE SCHÜTZENBRUDERSCHAFT ZUM HL. ANTONIUS IN WALDHAUSEN GELEITET WURDE VON DEM BRUDERMEISTER HEINRICH JÄGER UND DEM HAUPTMANN FRANZ KÜHLE-HERMANNSCHULTE, ALS ANTON GOSMANN SCHÜTZENKÖNIG WAR, ALS DIE BRUDERSCHAFT ETWA 100 MITGLIEDER ZÄHLTE, ALS DIE BAUKOMMISSION, BESTEHEND AUS DEN BRUDERMEISTERN HEINRICH JÄGER UND FRANZ KÜHLE-HERMANNSCHULTE, DEN SCHüTZENBRÜDERN KASPAR PANKOKE, WILHELM DALHOFF UND ANTON GOSMANN, DIE VORARBEITEN FÜR DEN BAU DER HALLE GELEISTET, ARCHITEKT RIDDERBUSCH AUS WARSTEIN DEN PLAN ZUR HALLE ENTWORFEN HATTE UND BAUUNTERNEHMER THEODOR BEELE MIT DEM BAU DER HALLE BEAUFTRAGT WORDEN WAR, WURDE DIESER GRUNDSTEIN ZUR SCHÜTZENHALLE AM 11. MAI 1952 VOM PRÄSES DER SCHÜTZENBRUDERSCHAFT PFARRER WILHELM MUDER FEIERLICH GEWEIHT UND GELEGT ALS BLÜHENDES SINNBILD FÜR DIE OPFERGESINNUNG UND ALLSEITIGE MITARBEIT DER GEMEINDE, ZUR EHRE GOTTES UND DES HL. ANTONIUS, ZUR PFLEGE VON HEIMAT UND GLAUBE, ZUR STÄTTE DER FREUDE UND ERHOLUNG.
Es folgen 4 Unterschriften:
Wilhelm Muder, Pfarrer, Präses der Schützenbruderschaft St. Antonius
Heinrich Jaeger, Oberst
Franz Kühle-Hermannschulte, Hauptmann
Heinrich Brüne, Schriftführer
Die Grundsteinlegung wurde ausgiebig gefeiert. Auf dem Festplatz auf dem Hof Hermannschulte spielte die Musik zum Tanz auf. Der Reinertrag der Feier betrug einschließlich einer Sammlung ca. 2000,- DM, der dem Baufonds zufloß. Der Hallenbau ließ die Schützen zusammenrücken. Man hatte ein konkretes Ziel, bereitwillig leistete jeder über die finanzielle Spende hinaus seinen Arbeitseinsatz. In den von Euphorie getragenen Gemeinsinn floß jedoch auch ein Wermutstropfen. Denn wie immer bei derartigen Gemeinschaftsaufgaben gibt es auch solche, die abseits stehen. So mußte die Schützenversammlung im August 1952 zur Kenntnis nehmen, daß “ sich verschiedene junge Leute weigern, Mitglieder des Vereins zu werden“. Eine solche Haltung stößt in einer Dorfgemeinschaft bekanntermaßen auf großes Unverständnis. Der Schützenvorstand beschloß mit 3/4 Mehrheit, „diese jungen Leute zu besonderen Leistungen (beim Hallenbau) heranziehen zu können“. Den Vorstandsmitgliedern kam es nicht in den Sinn, damit ihre Kompetenzer in eklatanter Weise überschritten zu haben, zu sehr waren sie von der Wichtigkeit und Richtigkeit ihres Unterfangens überzeugt. Erwähnenswert ist an dieser Stelle daß nach den Plänen des Amtsbaumeisters Ridderbusch aus Warstein die Firma Theodor Beele aus Taubeneiche sämtliche Maurerarbeiten ausführte. Die Stahlrohr Dachkonstruktion fertigte die Fa. Benteler aus Bielefeld an. Heinrich Grundhoff aus Sichtigvor lieferte die Hohlblockziegel und die Dacheindeckung, die er aus Neuwied im Rheinland heranschaffte. Unter dem Namen „Figgen-Blitz“ war Heinrich Grundhoff allgemein bekannt, nicht nur wegen seiner Geschäftstüchtigkeit, sondern auch wegen seines Lastwagens der Marke „Opel – Blitz“. Am 31. August und am 1. September 1952 feierte man das erste Schützenfest in der im Rohbau fertiggestellten Halle. Durch Ausschmückung mit Birkengrün verdeckte man die noch unverputzten Innenwände. Der Chronist Lehrer Brüne vermerkte dazu: „Schützenkönig 1952 – 1953 wurde Paul Schlüter, Königin seine Frau. Das erste Fest in der neuen Halle nahm einen glänzenden Verlauf. Zahlreiche Besucher kamen von auswärts und bewunderten die neue Halle“. Der Hallenbau wurde im Frühjahr 1953 zügig weitergeführt, obgleich die Bruderschaft einen herben Verlust zu beklagen hatte. Oberst Heinrich Jaeger verunglückte bei der Feldarbeit tödlich. An seine Stelle wurde am 2. Ostertag Wilhelm Dalhoff gewählt. Außergewöhnlich verlief das Schützenfest am 7. und 8. Juni. Vier Königspaare nahmen am Festumzug teil:
1. Diamantkönigspaar
Josef Mittrop – Marita Spindeldreher
2. Silberkönigspaar
Kaspar Berghoff – Gertrud Reinold
3. Silberkönigspaar
Kaspar Eickhoff – Sophia Hermannschulte
4. Königspaar
Paul Schlüter – Ehefrau Maria, geb. Kühle
Die Einweihungsfeier 1953
Im September desselben Jahres konnte die Halle feierlich eingeweiht werden. Nach einem Gottesdienst in der Kapelle am frühen Morgen zog die Gemeinde in feierlicher Prozession zur Halle. Pfarrer Muder nahm die kirchliche Einweihung vor. Ansprachen vom Diözesanpräses, Herrn Studienrat Schilling aus Lippstadt, und vom Oberst Dalhoff sowie ein gemischter Chor gaben der Feier den würdigen Rahmen. Nachmittags bewegte sich ein großartiger Festzug durch den Ort, zu dessem Abschluß in der Halle Vereinspräses Pfarrer Muder die Gäste begrüßte und Diözesanpräses Schilling die Festansprache hielt. An dem Festnachmittag nahmen die befreundeten Bruderschaften aus Allagen, Niederbergheim, Altenmellrich, Altengeseke, Brüllingsen, Belecke, Drewer, Hirschberg, Mülheim, Sichtigvor, Mellrich, Warstein und Uelde teil.In der Folgezeit kümmerte man sich um die Ausgestaltung der Schützenhalle. So schlug beispielsweise Schützenbrüder Josef Weiken vor, jede Familie möge einen Stuhl stiften. Wieder einmal zogen Schützenbruder mit einer Spendenliste durch die Gemeinde. Die weitere Bestuhlung erhielt man gebraucht vom Kino Mus in Warstein und vom Saal Kühle in Allagen. Von der Kolpingsfamilie Allagen erwarb man gebrauchte Kulissen für die Bühne und von der Gastwirtschaft Franz Kühle Allagen einen Bühnen-Rollvorhang. „Gebraucht, wie besichtigt 100,– DM“, weist die Rechnung vom 1. 11. 53 aus. Es handelte sich wohl um den bemerkenswerten Vorhang, der die Bibelszene „Daniel in der Löwengrube“ zeigte und noch vielen Waldhausenern in genauer Erinnerung ist. Die Waldhausener Laienspielgruppe, die nach dem 2. Weltkrieg von Kaspar Eickhoff (Steffens) geleitet wurde, brauchte nun nicht mehr auf den Getreidespeichern bei Kühle-Hermannschulte und Arens (Lues) spielen. Die neue Halle bot ideale Voraussetzungen für das Laienspieltheater. „Der Reinerlös der Theateraufführungen kommt der Halle zugute für weitere Anschaffungen“, schrieb der Chronist 1955. Während die „kleine Halle“ mit der Laienspielbühne bereits zur Einweihung vollständig fertiggestellt wurde, blieb die „große Halle“ bis zu Beginn der sechziger Jahre unverputzt und ohne Deckenverkleidung. Der ursprüngliche Plan, über dem Eingang eine Wohnung auszubauen, unterblieb ganz. Eine Wohnung ohne Heizung und Sanitäreinrichtung war um diese Zeit nicht mehr attraktiv.
Traditionen ändern sich 1956
Das Jahr 1956 brachte mehrere bemerkenswerte Veränderungen im Vereinsleben der Schützenbruderschaft. Der langjährige Bruderschaftspräses Pfarrer Wilhelm Muder war verstorben, sein Nachfolger als Präses und Pfarrer der Kirchengemeinde Mülheim wurde Heinrich Schoppmeier. Mit diesem Wechsel endete die Tradition der Sebastiansfeiern, die alljährlich von den Schützen mit einem feierlichen Gottesdienst in der Mülheimer Pfarrkirche begangen wurden. Ein weiterer Brauch wurde in diesem Jahr durch einen Beschluß der Generalversammlung ausgesetzt. „Bei Beerdigungen werden nur noch die Träger und Nachbarn des Verstorbenen durch den Adjutanten bestellt und zwar kostenlos für die Vereinskasse. Der allgemeine Bestellgang erübrigt sich, da es Sitte geworden ist, daß an alle Haushalte Totenbriefe verschickt werden“. So vermerkte es der Protokollant. Das „Leichnamsleute Bitten“ oder den „Tod eines Schützenbruders Ansagen“ geht auf eine ursprüngliche Zweckbestimmung der Bruderschaft zurück, die Sicherung des eigenen Seelenheils. Die Furcht vor dem Tode ließ ein vielfältiges Zeremoniell beim Ableben eines Schützenbruders entstehen. Jeder Schützenbruder konnte sichergehen, daß bei seinem Ableben die „letzten Dienste“, die Hilfen der Lebenden für den Eintritt in die Seligkeit, auch erwiesen wurden. Bis auf den heutigen Tag macht es die Schützenbruderschaft ihren Mitgliedern zur Pflicht, für ein ehrenhaftes Begräbnis ihrer Toten und für Totengedächtnisse zu sorgen. So besteht der Totenbrauch in der Teilnahme der Schützenbrüder mit einer Fahnenabordnung an der Beerdigung ihres verstorbenen Mitbruders. Dabei ist die Schützenmütze zu tragen. Selbstverständlich übernehmen einige Schützen den Trägerdienst. Das gemeinsam gesprochene Gebet der Schützenbrüder und Ehrenbezeugungen des Obersten und der Fahnenabordnung am offenen Grab sind auch heute noch übliche Rituale. In den Generalversammlungen pflegt man ein würdiges Totengedächtnis der jeweils zuletzt verstorbenen Schützen. Noch in den sechziger Jahren war es üblich, in der Generalversammlung ein Gebet zu sprechen. Eine weitere Änderung des Brauchtums nahm die Generalversammlung dadurch vor, daß sie die Vogelstange am Stangenabend nicht mehr von den Jungschützen durch das Dorf zum Schießplatz tragen ließ. Der Schriftführer vermerkte 1957: „Schützenbruder Hubert Hötte sorgt für das Einholen und Aufstellen der Vogelstange. Hierfür erhält er 5,– DM vom Verein“. Einige Jahre später wurde das Aufstellen der Vogelstange der Freiwilligen Feuerwehr Waldhausen übertragen. Diese nimmt bis auf den heutigen Tag diese Aufgabe wahr, und zwar jeweils eine Woche vor dem Fest. Es sind erst wenige Jahre her, daß am Sonntagabend noch der Brauch der offiziellen Aufnahme der Jungschützen in die Bruderschaft erfolgte. Vor dem Wegbringen der Fahnen zum Hof Hermannschulte rief der Hauptmann die Namen der neu eingetretenen Schützenbrüder auf und bat sie, ein Mädchen für den „Tanz unter der Fahne“ aufzufordern. Mit dieser Förmlichkeit wurden sie eindringlich auf die Grundsätze der Bruderschaft „Glaube – Sitte – Heimat “ hingewiesen. Erst in letzter Zeit kam das sogenannte „Krönen“ auf. Der Schützenkönig hatte den neuen Vogel rechtzeitig vor dem „Stangenabend“ auf seine Kosten herstellen zu lassen. Die Nachbarn schmückten ihn mit auf Schnüren gezogenen ausgeblasenen Eiern. Oft war und ist das eine Gelegenheit, im Hause des Königs mit dem Hofstaat ausgiebig zu feiern. In der jährlichen Generalversammlung werden zwei oder drei Mitglieder des Schützenvorstandes bestimmt, die den König in das Brauchtum des Krönens einweisen. Über viele Jahre war es üblich, zum Schützenball den Erwerb einer Tanzkarte zu fordern. Einige Schützenbrüder wurden zu Tanzkartenverkauf und -kontrolle abgestellt. Eine bisweilen recht undankbare Aufgabe. Heute mag man schmunzeln, wenn der Schriftführer 1960 protokollierte: Freien Eintritt zum Schützenball haben nur die Ehefrauen der Schützenbrüder und deren Bräute, falls die Hochzeit kurz bevorsteht“. Dieser Versammlungsbeschluß galt nur für ein Schützenfest. Wegen Undurchführbarkeit hob ihn die Generalversammlung wieder auf.
Quellen:
Gewährsleute Josef Hermannschulte, Theo Brock, Heinrich Jaeger und Alfred Kühle
Schützenarchiv Waldhausen, Protokolle 1947 – 1954
Stadtarchiv Warstein
Schützenarchiv Waldhausen, Protokolle 1954 – 1988