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Chronik Teil I

Schützenbruderschaft St. Antonius Waldhausen 1870 e.V.


1. Ursprünge und Anfänge des Schützenwesens im Kirchspiel Mülheim

1.1 Allgemeine Entstehung des Schützenwesens
Schon im 15. Jahrhundert bildeten sich in den umliegenden Städten und Freiheiten erste Schützengemeinschaften, deren Aufgabe es war, einen bestimmten Teil der Stadt oder der Stadtmauer zu verteidigen und damit die Wehrhoheit der Stadt zu gewährleisten. Zu Übungs-, später auch zu Unterhaltungszwecken, hielt man jährlich ein Schießen ab, das sich schon bald als Schützenfest einen festen Platz im gesellschaftlichen Leben eroberte. Als stadtumspannendes, gemeinschaftliches Tun wurden diese Vereinigungen nach und nach zu Trägern gesellschaftlichen Empfindens, die sich von der reinen Schießgruppe zum sozialen Miteinander in der religiösen Bruderschaft wiederfanden. Vorbild für die Umzüge mit Fahnen und Kränzen waren die ritterlichen Turniere, manche Vereinigungen besaßen als Zeichen für den besten Schützen gar ein „Schützenkleinod“ in der Form eines kleinen silbernen Vogels, denn oft wurde auf Scheiben oder hölzerne Vögel geschossen. Wenn auch die Bedeutung des Städtewesens im Aufblühen territorialer Macht dahinschwand, blieb die Gesellungsform des Scheiben- oder Vogelschießens mit Umzügen und Gelagen bestehen, ja setzte sich sogar auf dem Land als willkommene Abwechslung im Jahreslauf durch. Da diese Feiern spontan und ohne behördliche Genehmigung stattfanden, liegt deren jeweiliges Entstehen meistenteils im Dunkel. Erst im 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden im Zuge der allgemein fortschreitenden Präsenz landesherrlicher Institutionen und Gesetze auf dem Land und dem Wunsch nach „Verchristlichung“ der langjährigen weltlichen Traditionen offizielle Genehmigungen sowie die Verleihung von Statuten, dann und wann aber auch die landesherrliche Ablehnung einer sich als Schützengesellschaft konstituierenden Gemeinschaft von Gleichgesinnten.

1.2 Gründung einer Schützenbruderschaft für das Kirchspiel Mülheim
Auf dem Hintergrund religiösen Tuns und der Verbindung mit liebgewordenem weltlichen Brauch ist die Errichtung einer Schützenbruderschaft im Kirchspiel Mülheim zu sehen, deren „Eingeseßene Kirspels Mülheim Gerichts Belecke“ 1767 an den damaligen Landesherrn des Erzbistums Köln, Erzbischof und Kurfürst Maximilian Friedrich (1761-1784), die Bitte richteten „höchstdieselbe sothane schützen Compagnie mit denen daselber entworfenen articulen firmiren gnädigst geruhen (zu) wollen“. Es hatte also innerhalb des Kirchspiels schon vor 1767 den Brauch des Schützenfestes gegeben, durch die Bestätigung am 18. 9. 1767 bzw. der Verleihung der ersten Statuten am 15. 4. 1768 hatten die Schützen des Kirchspiels nun eine offizielle Legitimation erhalten. Die neue Schützenbruderschaft verstand sich auf dem Hintergrund der zeitlichen Entwicklung als Träger weltlichen und geistlichen Tuns, das Schwergewicht dürfte anhand der ersten Statuten dieser Vereinigung in erster Linie auf dem religiösen Gebiet gelegen haben, ging es nämlich schon in der Einleitung der Statuten darum „fürnemlich ( … ) die Ehre Gottes, und unserer Seelen Heyl zu beförderen“, „Liebe und Redlichkeit wiederum auf besseren Fues zu setzen“, „des alten Hasses, Uneinigkeiten und zugefügten Unbilden zu vergessen“ mit dem hohen Ziel „damit ein Jeder an unseren Sitten sehen könne, daß wir Gott und Ehrliebende Brüder seien.

2. Konstituierung der „vereinigten Schützen Gesellschaft zu Waldhausen“ 1870/1871

2.1 Allgemeine Rahmenbedingungen
„Die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts war allgemein durch patriotische und nationale Begeisterung bestimmt.“ 11) Auf dem Hintergrund der Tatsache, daß in den neuen Schützengesellschaften erstens weltlich orientierte und zweitens national gesonnene Institutionen in Stadt und Land bestehen konnten, willigte man von behördlicher Seite wohlwollend der Konstituierung neuer Schützenvereinigungen zu. Daß die Errichtung der Schützenbruderschaft St. Antonius in diesem Zusammenhang kein solitäres Ereignis ist, beweist die Vielzahl der Vereinsgründungen in dieser Zeit. „An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam es zu einer großen Gründungswelle der Schützenvereine überall im Lande.“

2.2 Gründung und Statuten vom 15. 5. 1870
Der Gemeindevorsteher Anton Jaspert überreichte Amtmann Koffler a m 27. 5. 1870 „im Auftrag des hiesigen Schützen-Vorstandes die Statuten der Schützen-Gesellschaft für die Gemeinde Waldhausen“. Er selbst fungierte schon als Ehrenmitglied der neuen Vereinigung und bat mit dem Schreiben dem Amtmann zugleich die Ehrenmitgliedschaft an, sicher nicht ohne eine wohlwollende Prüfung des Antrages zu erwarten. Bereits am 3. 6. 1870 antwortete Koffler, die Ehrenmitgliedschaft annehmend, daß der Feier des Schützenfestes der „in diesem Jahr vereinigte(n) Schützengesellschaft“ nichts im Wege steh e. Das „vereinigt“ ist ein charakteristischer Hinweis auf die jahrzehntelange Vorgeschichte des Waldhausener Schützenfestes, das nunmehr in geordnete und institutionalisierte Bahnen gelenkt werden sollte. Mehrfache Versuche Waldhausener Bürger hatten mehr oder weniger dazu geführt, an eine Konstituierung einer eigenen Vereinigung zu denken. Auch durch die ein oder andere Meinungsverschiedenheit über Form und Gestaltung von Schützenverein bzw. -fest waren bestimmte Streitigkeiten entstanden, letztlich lag es jedoch auch daran, daß die 1767 gegründete Schützenbruderschaft des Kirchspiels Mülheim in ihren Statuten nicht mehr dem entsprach, was man sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter einer zeitgemäßen Schützengemeinschaft vorstellte. Auch scheint ein gewisser Generationskonflikt, der sich im Bereich des Schützenwesens seit langer Zeit in dem getrennten Schützenfest der jungen Leute in Form des Junggesellenfestes und der Bürger in der Form des Kirchspielfestes von Mülheim festgesetzt hatte, der eigentlich en Gründung des Waldhausener Schützenvereins vorausgegangen zu sein. U m die bestehenden Differenzen zu heben, entschloß man sich in einer Generalversammlung aller Männer und „Jünglinge“ Waldhausens, eine „gemeinsam vereinigte Schützen-Gesellschaff‘ zu bilden, deren Statuten und konkreten Vorbereitungen von einem gewählten Ausschuß übernommen werden sollten. Dieser setzte sich aus sechs Waldhausener Einwohnern zusammen, Gemeindevorsteher Jaspert, Caspar Kühle genannt Hillebrandt, Friedrich Weicken und der Lehrer Farke waren von den älteren Einwohnern, Friedrich Jaspert und Joseph Dalhoff von den jüngeren Einwohnern deligiert worden. Nach mehrfacher Beratung konnte dieser Ausschuß in der Generalversammlung am 15. 5. 1870 die ersten Statuten der vereinigten Schützengesellschaft in Waldhausen vorlegen, die die Versammlung billigte und Gemeindevorsteher Jaspert unterzeichnete. Die in 26 Paragraphen erstellte erste Satzung des Vereins regelte das Vereinsleben in sehr konkreter Hinsicht, möglichen Eventualitäten sollte aus dem Wege gegangen werden. Im Vergleich zu übrigen aus dieser Zeit stammenden Satzungen anderer Schützengemeinschaften fällt gerade diese unterschiedliche Ausführung auf, die vermuten läßt, daß den Ausschußmitgliedern keine Vorlage einer anderen Schützengesellschaft, vielleicht höchstens die der Kirchspielsbruderschaft, vorgelegen hatte. In diesem Zusammenhang markierte die am 16. 7. 1871 herausgegebene zweite Satzung ein sehr viel strafferes Bild, obwohl in ihrer Präambel die gleichen Gründe für die Entstehung einer Schützengesellschaft in Waldhausen genannt werden, der Ausdruck „vereinigte Schützen-Gesellschaft“ jedoch ausgelassen wird. Im Kirchspiel Mülheim, Amt Warstein, wurde seit undenklichen Zeiten ein Schützenfest resp. Vogelschießen gefeiert, an welchem die Gemeinde Waldhausen Theil nahm. Gegen diese Theilnahme ließe sich manches erinnern, weshalb in der Gemeinde Waldhausen ein eigenes Fest veranstaltet werden soll, an welchem Verheirathete und Unverheirathete teilnehmen können.“

2.3 Organisation der Schützengesellschaft und deren Brauchtum Für die Anfangszeit der heutigen Bruderschaft stellen gerade diese beiden kurz aufeinander folgenden Satzungen von 1870 und 1871 eine erhebliche Quelle zur Analyse frühen Schützenbrauchtums in Waldhausen dar. Die Erstellung von zwei Satzungen in kurzer Abfolge könnte auf dem Hintergrund der folgenden Entwicklungen einsichtig werden. Die Generalversammlung der Waldhausener Männer und Jünglinge hatte am 15. 5. 1870 die Satzung unter Beisein des Gemeindevorstehers Jaspert festgesetzt und diese am 27. 5. 1870 der Amtsverwaltung in Warstein mit dem Wunsch der Genehmigung übersandt. Der Amtmann Johann August Koffler hatte daraufhin die Statuten am 3. 6. 1870 zurückgesandt mit der Bemerkung, daß bei der Einhaltung des äußeren Rahmens des Schützenfestes – zweitägige Dauer und Ende der Feierlichkeiten mit der Polizeistunde um 10 Uhr am Abend – der neuzugründende Verein keiner Genehmigung bedürfe. Um den aufgestellten Statuten doch noch einen gewissen amtlichen Status zu geben, siegelte der Gemeindevorsteher Jaspert am 7. 6. 1870 mit den von Koffler gegebenen Hinweisen die Statuten und genehmigte sie damit. Die aus dem folgenden Jahr stammenden Statuten ähneln allgemeinen Statuten einer Schützenvereiniung weitaus mehr. Es darf in diesem Zusammenhang vermutet werden, daß man nach Erscheinen der ursprünglichen Statuten doch dem Wunsch nach einer gewissen Einheitlichkeit in Zusammenhang mit übrigen Schützengesellschaften nachzukommen versuchte und aus diesem Grunde neue Statuten entwarf. Wiederum verabschiedete die Generalversammlung am 16. 7. 1871 das neue Statutenwerk, das der Gemeindevorsteher Jaspert am 6. 8. 1871 wiederum unter Beidruck des Gemeindesiegels genehmigte.

2.4 Religiöse Ausrichtung
In Anklang an die bereits seit 1767 für das Kirchspiel bestehende Schützenbruderschaft übernahm der neue Verein auch gewisse Bräuche, die eine starke Anlehnung an die katholische Kirche zeigten. Diese äußerte sich vor allem in der Schützenmesse zum Schützenfest und dem eher bruderschaftlich verankerten Brauch der Begleitung verstorbener Schützenbrüder bei deren Beerdigung. In diesem Zusammenhang regelte § 4 der Gründungsstatuten die Pflichten der Schützenbrüder und betonte, daß „derjährlichen Schützen-Messe“ und „der Leichenbegräbnissen der Schützenbrüder beizuwohnen“ ist. Der Stellenwert dieser beiden Strukturen Waldhausener Schützenwesens offenbart sich daran, daß bei ein em Fernbleiben ohne Grund eine Strafe von 5 Silbergroschen zu zahlen war. Nicht eigens legte man die Teilnahme der Schützenbrüder an der Beerdigung einer Ehefrau fest, die noch weit nach der Jahrhundertwende üblich war. Das heutige Patrozinium des hl. Antonius des Einsiedlers geht für das Waldhausen er Schützenwesen erst auf die unmittelbare Nachkriegszeit zurück, in d er man sich, auf der Tradition der St.-Sebastianus-Erzbruderschaft fußend, erst zum zweiten Schützenfest nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1948 als „Schützenbruderschaft Waldhausen St. Antonius“ bezeichnete. Die AntoniusVerehrung in Waldhausen ist in ihren Wurzeln nicht mehr rekonstruierbar, durch die Anrufung dieses Heiligen als Schutzpatron für das Vieh wird sie schon früh innerhalb der ländlichen Bevölkerung Waldhausens Eingang genommen hab en und dazu geführt haben, daß sich die Waldhausener Gläubigen den hl. Antonius zum zweiten Kapellenpatron erwählten. Im Schützenwesen Waldhausens fand er erst in dem obengenannten Jahr Eingang, auch die noch erhaltene Fahne aus dem Jahre 1910 stellt die hl. Barbara, nicht den hl. Antonius, al s erste Patronin der Kapelle dar. Die Feier der Schützenmesse am Schützenfestmontag zeigte ebenso keine Verbindung zum Patron der heutigen Bruderschaf t, war doch ihr Zeitpunkt wie auch der Zeitpunkt des Schützenfestes im Frühjahr bzw. Sommer willkürlich gewählt. Die Begleitung der verstorbenen Schützenbrüder und deren Ehefrauen offenbarte für die Vereinigung einen doppelten Zweck. Zum einen war die Teilnahme an dem Begräbnis d es Schützenbruders mehr als Pflicht gegenüber dem Verstorbenen, dann konnte sich aber auch innerhalb dieses Brauches die Gemeinschaft als Gemeinschaft nach außen zeigen. In den ersten Jahrzehnten war es neben dem Schützenhochamt üblich, eine, zeitweise zwei hl. Messen, für die verstorbene n Mitglieder jährlich zu feiern. Zudem hatte man im Jahre 1919 eine eigene „Totenfahne“ erworben. Auch wenn die Statuten keine besondere Regelung für die Teilnahme am kirchlichen Leben des Kirchspiels festlegten, scheint ihr Mittun bei kirchlichen Anlässen, wie etwa die Begleitung der Prozessionen, aufgrund ihrer Einbindung in das gemeinschaftliche Leben des Dorfes und seiner Bevölkerung selbstverständlich gewesen zu sein. In erster Linie sind dabei die Prozessionen am Christi-Himmelfahrtstag zu nennen sowie die „Große Prozession“, die von der Pfarrkirche in Mülheim nach Waldhausen und wieder zurück führte. Im Auftrag der Waldhausener Schützen gab man bei beiden Prozessionen, bei der Christi-Himmelfahrtsprozession, die in früherer Zeit Taubeneiche berührte und auch der „Großen Prozession“, noch in den 1930er Jahren durch Böllern seiner Freude Ausdruck. Darüber hinaus war es üblich, daß sich die Waldhausener Schützenvereinigung an den Kosten der Musikkapellen bei den drei Prozessionen des Kirchspiels beteiligte. Freudenböller wurden von den Waldhausener Schützen auch zu anderen kirchlichen Angelegenheiten geschossen. Zur Pfarreinführung des Pfarrers Josef Platte (1887-1908) notiert die Jahresrechnung für das Jahr 1887 „für Pulver zum H. Pastor einsetzen 8 M. „. 18) Wenn auch in den ersten Jahrzehnten der Pfarrer des Kirchspiels kein Präses der heutigen Bruderschaft war, so stand er doch als geistlicher Repräsentant im Leben der Schützenvereinigung an vorderer Stelle. Aus der Jahresrechnung von 1888 geht hervor, daß man dem Pfarrer für die Feier des Schützenhochamtes einen Betrag von 3 Mark und 50 Pfennigen schuldete, der aber ausdrücklich um „Portion Kaffe“ ergänzt wird. Wahrscheinlich war es zu dieser Zeit Brauch, dem Pfarrer nach Beendigung der hl. Messe ein Frühstück auf Kosten des Vereins zu reichen, an dem auch der Küster teilnehmen konnte. Ab und zu erhielt auch der Organist ein eigenes vom Rendant bezahltes Salair.

2.5 Weltliche und staatsbürgerliche Ausrichtung
Die zur Mitte des 19. Jahrhunderts konstituierten Schützengemeinschaften kannten eine starke nationale Ausrichtung. Die Gründung der Waldhausener Schützengemeinschaft geschah kurz vor der Einigung des Deutschen Reiches 1871 im Zuge preußischen Vormachtstrebens. So war es für die junge Gemeinschaft selbstverständlich, daß aufzunehmende Mitglieder sich im Besitz der vollen Staatsbürgerrechte befinden mußten. Ebenso eröffnete man nach § 18 der Gründungsstatuten das Vogelschießen „im Namen Sr. Majestät des Königs durch den alten Schützen-König“.

2.6 Charakterliche Pflichten der Mitglieder
Gerade in der Gründungszeit der Waldhausener Schützenbruderschaft wurde besonderer Wert auf ein ordentliches Betragen der Vereinsmitglieder gelegt. Mit dem Schwinden der Wehraufgabe der Schützengemeinschaften hatte sich spätestens im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert die Schützenfeier oder das Gelage in den Mittelpunkt des jährlichen Tuns verlagert, das so wohl von geistlicher als auch weltlicher Behörde immer wieder der Kritik bzw. Verboten und Einschränkungen unterworfen worden war. Erst 1858 hatte man von der Seite der Königlichen Regierung die Dauer des Schützenfestes auf zwei Tage beschränkt und ein abendliches Ende um 10 Uhr gesetzt, um den allgemein verbreiteten Nachfeiern ein Ende zu setzen. Ein am 3. 12. 1829 nach Forderung des Warsteiner Bürgermeisters Carl Gutjahr eingesandtes Schreiben der einzigen zur damaligen Zeit im Kirchspiel Mülheim bestehenden Schützengemeinschaft hatte die Modalitäten des Schützenfestes – am Peter- und Paulstag sowie zwei oder drei folgenden Sonntagen wurde gefeiert – ans Tageslicht gebracht. Diese Feier fand bisweilen auch in Waldhausen statt. Auf diesem Hintergrund hatte darum der Landrat des Kreises Arnsberg am 7. 12. 1858 betont, daß „jedem Schützenverein im diesseitigen Regierungsbezirke, ohne Unterschied ob in der Stadt oder auf dem Lande und gleichviel, ob der Verein Korporationsrechte besitzt oder nicht, nur ein Mal jährlich eine Festfeier mit höchstens zweitägiger Dauer und mit Ausschluß jeder Vor- und Nachfeier, so weit damit Tanzlustbarkeiten verbunden sind“ gestattet sind. Die Eigenschaften der Waldhausener Schützen konzentrierten sich nach den Gründungsstatuten darauf, daß man „nicht durch eine unwürdige That oder durch ein sonstiges unordentliches Betragen“ seine Aufnahme gefährdete, weder eines Verbrechens noch eines Vergehens angeklagt oder verdächtigt wurde, nicht Im Concurs-Verfahren stände und sich endlich nicht in der Position des „Trunkenboldes“ befände. Gerade bei der Feier des Schützenfestes sollte es sich von selbst verstehen, daß man sich bei dem Fest keine Unordnung zu schulden kommen lassen solle und die Sicherheitsvorschriften zu beachten hätte. Wer darüber hinaus „Streit, Zank, Schlägerei“ anfinge, sollte mit einer Ordnungsstrafe belegt werden.“ Die Strafen, die vom Vorstand der Vereinigung verhängt werden konnten, orientierten sich an dem allgemein üblichen Maß, das neben der Geldstrafe einen Ausschluß aus dem Verein vorsah, der auf der auf das jeweilige Schützenfest folgenden Generalversammlung beantragt und ausgeführt werden konnte.

2.7 Waffen der Schützengesellschaft und das Vogelschießen
Bis in das Ende des 19. Jahrhunderts bedeutete das Waffentragen eine besondere Auszeichnung des Schützenbruders, der damit seine persönliche wie gemeindliche Wehrfähigkeit unter Beweis stellte. In diesem Zusammenhang war es bis weit in unser Jahrhundert üblich, daß viele Mitglieder im Festzug bzw. beim Vogelschießen ihr eigenes Gewehr mitbrachten. Daß dazu natürlich besondere Sicherheitsvorschriften einzuhalten waren, versteht sich von selbst. Gerade in landwirtschaftlich geprägten Dörfern konnte ein versehentlich gelöster Schuß nicht nur Menschenleben, sondern auch oft große Brände entfachen, die für manche Familie den Ruin bedeutet hätten. So durften die Mitglieder nur an einer vom Vorstand ausgesuchten Stelle die Gewehre laden, niemand durfte zwei oder mehrere Kugeln oder auch übermäßig viel Pulver ins Gewehr füllen, das Gewehr war aufrecht zu tragen, und letztlich durfte während des Festzuges nicht geschossen werden. Besonders wurde das mögliche Verleihen des Gewehrs an Fremde mit einer Geldstrafe geahndet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erließ die Amtsverwaltung in Warstein die Vorschrift, daß nur ausgebildete Schießmeister die Leitung des Vogelschießens übernehmen könnten. In diesem Zusammenhang erwarb der Verein zb. offiziell 1894 160 Patronen für das Vogelschießen zum Schützenfest bei dem betreffenden Schießmeister.

2.8 Schützenfest – Hochfest des Jahres
Mittelpunkt des jährlichen Tuns war das Schützenfest, das fast durchgängig in jedem Jahr alle Dorfbewohner zusammenführte. Den Waldhausener Schützen war es dabei seit ihrer Gründung eigentümlich, sich ein jeweiliges Zelt auszuleihen, ehe man zu Anfang der 1880er Jahre in die Räumlichkeiten der Wirtschaft Grawe übersiedelte, um dort sein Fest z u feiern. Der Schützenfesttermin änderte sich im Laufe der Jahrzehnte nur geringfügig. Während in den Gründungsstatuten die Generalversammlung, die am ersten Sonntag nach Ostern tagen sollte, festlegte, daß „d as Schützenfest ( … ) alljährlich an zwei Tagen gefeiert werden soll te, legten schon die Statuten aus dem folgenden Jahr den Termin und seine Strukturen genauer fest: „Das Schützenfest soll auf einen Sonntag und den darauffolgenden Montag im Monat Juli gefeiert werden. Die Tage werden von der Schützenversammlung jedes Jahr bestimmt. Das Vogelschießen findet am Montag nach der hl. Messe, welcher jedes Mitglied bei 5 Sgr Strafe beiwohnen muß, statt. Im Laufe der Jahre wechselten die Termine bisweilen in den Monaten Mai, Juni und Juli eines jeden Jahres. Von dem eigentlichen Ablauf des Festes berichten die Gründungsstatuten sowie die Statuten von 1871 recht wenig. Man kann darauf schließen, daß am Sonntagnachmittag und am Montag in Verbindung mit dem Vogelschießen ein Festumzug, „Ausmarsch“ genannt, durch Waldhausen führte. Am Montag zog man nach der Schützenmesse zum Vogelschießen, dessen Platz auf dem noch heute benutzten Gelände an der Straße nach Uelde lag. Mehrfach wurden in den Anfangsjahren die Vogelstangen neu erstellt oder repariert. An beiden Nachmittagen und Abenden, insbesondere am Sonntag, gab man sich der „Tanzbelustigung“ hin, die neben den heute noch bekannten Tänzen gerade im 19. Jahrhundert noch mehrere Tanzformationen kannte, zu deren Beachtung nach den Statuten eine Tanzordnung im Lokal ausgehängt werden mußte. Die Teilnahme am Schützenfest, insbesondere beim Vogelschießen, bedeutete für jeden Schützenbruder eine Pflicht, der er sich nicht entziehen konnte. Mit einem Strafgeld von 2 Sgr. 6 Pf. konnte er der Feier fernbleiben, der „BoykotC des Vogelschießens wurde jedoch mit 5 Sgr. Strafe geahndet. Mit den bezahlten Beiträgen der Mitglieder, die vom Vorstand aus je nach Vorausberechnung des Festes festgesetzt werden konnten, und von daher jährlich unterschiedlich sein konnten, gelangten zusätzliche Gelder der Fremden in die Kasse der Vereinigung, die durch eine bestimmte Zahlung den Zutritt zum Fest und insbesondere zum Tanz erreichten. Eine in diesem Fall vom Vorstand ausgehändigte Eintrittskarte mußte „öffentlich getragen werden“ und war keineswegs übertragbar. So weit ein Fremder mit einer falschen Karte angetroffen wurde, mußte er 10 Sgr. an Strafgebühr entrichten und sich vom Schützenfest entfernen. Die frühen Listen der Gäste bzw. Fremden zeigen vor allem Einwohner aus Mülheim, Sichtigvor und Uelde, die am Waldhausener Fest teilnahmen.

2.9 Schützenkönig und Schützenkönigin
Von jeher war der König die repräsentative Figur innerhalb d er Schützengemeinschaft. Seit Jahrhunderten war es in den verschiedensten Gemeinschaften üblich, anläßlich ihres Hochfestes oder bei einer fröhlich-ausgelassenen Feier einen „König“ zu wählen, der fü r die Dauer des Festes das Regiment über die Teilnehmer besaß und mit bestimmten Insignien ausgestattet wurde. Schon im Mittelalter ließ man de m König eine gewisse Reverenz zukommen, die sich äußerlich in einem besonderen Hutschmuck manifestierte. Von besonderem Wert war dabei das „Schützenkleinod“, oftmals als Brustschild oder Silbervogel gearbeitet, das der König als äußere Auszeichnung trug. Auch geht dabei in frühe Zeiten der Brauch zurück, daß der König eine Gedenkmünze an dieses Kleinod in Form eines Talers oder sonst passenden Zeichens gab. Inwieweit es zu Beginn der Waldhausener Schützenvereinigung ein Schützensilber gegeben hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Das heute gebräuchliche Königs Silber zeigt ein silbernes Brustschild mit der Aufschrift 11 gewidmet vom Schützen-Verein Waldhausen 1904″ und mehrere daran aufgehängte Orden der Schützenkönigspaare der letzten Jahre. Die Jahresrechnung von 1904 weist die neuangeschaffte Kette mit Kosten von 44 Mark aus. Aufgrund der Tatsache, daß im Laufe der Zeit die Schützensilber zu groß und schwer wurden, ist man auch in Waldhausen dazu übergegangen, nur noch einige Orden am Schützensilber zu belassen und die älteren Insignien in der Schützenhalle zu deponieren. Kernstück des Schützensilbers bleibt aber nach wie vor das Brustschild aus dem Jahre 1904. Ob diese Kette eine Vorgängerin gehabt hat, entzieht sich der Kenntnis. Es läßt sich jedoch vermuten, da § 20 der Gründungsstatuten bestimmt, daß „der König ( … ) mit dem für ihn bestimmten Abzeichen geziert wird?) Eine weitere Vergünstigung erhielt er durch die Befreiung von sämtlichen Festkosten und einer Schußprämie in Höhe von 2 Reichsthalem. Selbstverständlich lag es auch an ihm, im darauffolgenden Jahr das Vogelschießen zu eröffnen. Die Namen der Schützenkönige können erst seit 1903, die Namen der Schützenköniginnen erst seit 1921 rekonstruiert werden.

2.10 Ämter und Funktionen in der Schützengesellschaft sowie deren Insignien
War der Schützenkönig und später seine Königin die symbolische Hauptperson der Feier, so oblag dem Vorstand die eigentliche Führung des Vereins. Dieser setzte sich nach den Gründungsstatuten aus einem fünfköpfigen Gremium zusammen, das für alle Belange der Vereinigung innen und außen Zuständigkeit zeigte, sich um „Aufrechterhaltung der Ordnung und der Statuten“ bemühte, alle Vorbereitungen zum Schützenfest treffen sollte und die allgemeine Leitung übernehmen sollte. An der Spitze der Gemeinschaft stand der Oberst, ihm folgten der Hauptmann, zwei Lieuten ants und der Rendant. Letzterer erhielt bis zur Satzungsänderung 1883 eine jährliche Entschädigung von 2 Reichsthalern, da ihm unter anderem die sofortige Abrechnung des Schützenfestes oblag, über das statutengemäß acht Tage nach dem Schützenfest eine allgemeine Aussprache gehalten wurde. Weitere Ämter wurden vom Vorstand und der Generalversammlung vergeben. So entsprach es mittelalterlichem Brauch, daß eine Bruderschaft ode r Gesellschaft sich zur Bewältigung organisatorischer Angelegenheiten einen Pedelt oder Diener anstellte. Mit der Konstituierung der Waldhausener Schützenvereinigung errichtete man auch hier das Amt des Schützendieners, der in erster Linie die Einladungen zu Vorstandsversammlungen und Generalversammlungen überbrachte, aber auch Botengänge und Bekanntmachungen, etwa zu Beerdigungen von Vereinsmitgliedern und deren Ehefrauen, übernahm. Ebenso wie d er Fähnrich, der vom Vorstand ernannt werden konnte und von der Generalversammlung alle drei Jahre zu wählen war, erhielt dieser bis zur Jahrhundertwende eine Entschädigung von 7 Sgr. 6 Pf. für „jedesmalige Dienstleistung“. Nur über den Hinweis auf den Fähnrich läßt sich die Existenz einer Fahne nachweisen. Bis in die 1960er Jahre wurde in den Festzügen eine rot-weiße, mit einem „Herz-Jesu-Symbol“ gezierte Fahne ohne Aufschrift oder sonstige Ornamentik mitgeführt, die neben der 19 10 erstellten Fah ne der Stolz der Waldhausener Umzüge war. Mit einiger Sicherheit läßt sich in dieser Fahne, die 1975 eine Beschädigung erfuhr, die Gründungsfahne erkennen, da die rechteckigen Ausmaße und die Qualität de s Stoffes bzw. der aufgenähten bzw. gemalten Ornamentik in das 19. Jahrhundert verweisen. Möglich wäre es jedoch auch, daß diese Fahne ein noch höheres Alter als die Schützenvereinigung besitzt, bei einem der vor der Gründung gefeierten Schützenfeste eine Rolle spielte und mit d er Vereinsgründung als neue Schützenfahne mitgeführt wurde. Sämtliche Vorstandsämter wurden auf eine Dauer von drei Jahren in einem Wahlakt gewählt, ebenso mußte sich jedes Mitglied verpflichten, mindestens drei Jahre im Verein zu bleiben. Letzteres geschah wohl unter dem Gedanken an die kleine Dorfgemeinschaft und hatte auch den finanziellen Aspekt einer sich i n der Konstituierung befindenden Gemeinschaft bedacht. Interessant ist ferner, d aß zumindest in der Gründungsphase nur für den Oberst eine gewisse Form der Uniformierung galt. Während es für die Vereinsmitglieder keine Kleidervorschriften gab und die „Vorstandsmitglieder für ihre Utensilien so lange selbst Sorge zu tragen (haben), bis solche aus der Kasse für di e Gesellschaft angelegt sein werden“, schrieb man für den Oberst „Schärpe, Seitengewehr, Epauletts (Anm. franz.: Schulterstükke) und eine vor Allen hervorragende Kopfbedeckung vor. Die ersten Schützenfeste nach der Gründung der Schützenvereinigung entwickelten sich in den statutenmäßig festgelegten Formen. Von einem ersten nachweisbaren Schützenfest is t für das Jahr 1875 die Rede. Wohl schon seit dieser Zeit, nachweisbar jedoch erst ab 1888, fanden zwei größere Versammlungen vor dem Schützenfest statt: dazu zählte die „Frühjahrsversammlung“ am ersten Sonntag nach Ostern und die „Schützenfestversammlung“, zu der kurz vor dem eigentlichen Festtermin der Schützendiener einlud. Eine charakteristische Wiedergabe der finanziellen Situation in der Gründungsphase der Vereinigung ergibt die Jahresrechnung für das Jahr 1875. Nachdem man am 30. 5. 1875, in Anbetracht der Statuten sehr spät, eine Generalversammlung mit Neuwahlen abgehalten hatte, und die Bewirtung während des Schützenfestes auf Meistgebot vergeben worden war, konstatierte die Rechnungslage am Ende dieses ersten nachweisbaren Festes einen Kassenbestand von 1 Thaler und 20 Silbergroschen, da zwar Mitgliedsbeiträge von 40 Rth., Eintrittsgelder von Gästen in Höhe von 14 Rth., 2 Sgr. und 6 Pf. sowie einige Strafgelder bezahlt worden waren, demzufolge aber allein die Musik und der Tambour, der mit der Trommel den Takt des Marschierens schlug, allein 37 Rth. erhielten. Insbesondere waren in diesem Jahr 4 Rth. für die Erstellung der Vogelstange zu zahlen, auch das Holen und Wegbringen des Zeltes verbrauchte Gelder, da hier nicht nur die reinen Zeltkosten, sondern auch „Bier Musik macht 25 Sgr.“ zu Buche schlugen. Auch bei dem darauffolgenden Schützenfest im Jahre 1877 standen für „Zelt fahren“, „Bier beim Zelt holen und bringen“ sowie „Zelt abbrechen und aufflanzen“ ordentliche Kosten an. Eine Liste der Festteilnehmer eines der ersten Schützenfeste, die vielleicht auch als Liste der Gründungsmitglieder anzusehen ist, weist 82 Schützenbrüder und 44 Gäste mit Eintritt auf. Die Feier des Schützenfestes in einem Zelt endete wahrscheinlich spätestens 1882, als man in die Wirtschaft Grawe wechselte, dessen Inhaber auch die Versorgung der Musikkapelle mit Essen und Getränken übernahm. Erst in unserem Jahrhundert wurde wieder in einem Zelt gefeiert.

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